Montag, 29. September 2008
Bernd Eichingers 'Der Baader Meinhof Komplex'
"Ihr habt sie nie gekannt!
Seht sie nicht so, wie sie nicht gewesen sind“

DER BAADER MEINHOF KOMPLEX schildert die politischen Turbulenzen von 1967 bis zum blutigen Deutschen Herbst 1977 der großen Zerreißprobe für das demokratische Selbstverständnis der Bundesrepublik. Der Spielfilm nähert sich den verschlungenen Ereignissen auf der Basis von Stefan Austs Standardwerk über den RAF-Terror. Im Zentrum der dramatischen Story steht das selbsternannte Leitungsteam des anti-faschistischen Widerstands gegen die Staatsgewalt: Andreas Baader, die ehemalige Starkolumnistin Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Ihr stärkster Gegner ist der Mann, der sie am besten versteht der BKA-Chef Horst Herold. Der brillante Stratege schafft es, die Anführer innerhalb kurzer Zeit dingfest zu machen. Doch trotz aller Fahndungserfolge ahnt er, dass die RAF einer Hydra gleicht. Immer neue, zu allem entschlossene RAF-Mitglieder führen einen Kampf weiter, dendie Namensstifter längst nur noch aus der Stammheimer Zelle verfolgen können. Dabei wandeln sich das Selbstverständnis, die Methoden und die Brutalität der Bewegung. Mit ihnen wandelt sich die politische Landschaft.

Bernd Eichingers jüngste Kino-Produktion zeigt erst einmal den Konflikt zwischen dem Deutschen Film und der Presse. Kritiker schienen, auch angestachelt durch allgemein fehlende Pressevorführungen und spezielle Aufführung mit Verschwiegenheitsauflagen, wieder einmal schon vor der Premiere des Films verschnupft über Eichingers Vergangenheitsbewältigung, wie es einige auch bei den Erfolgsfilmen "Keinohrhasen" und "Die Welle" waren. Vor allem wurde orakelt, ob man solche Terroristen in den Mittelpunkt eines Kinofilms stellen dürfe (seltsam dass sich in Amerika niemand solche Fragen zu stellen scheint, wenn Hollywood oder auch TV-Produktionen sehr subjektive Filme "beruhend auf wahren Begebenheiten" auf den Markt werfen).
Grundsätzlich muss man dem Produzenten und seinem Regisseur Uli Edel ("Wir Kinder vom Bahnhof Zoo") zugestehen, dass ihnen aus technischer Sicht ein filmisches Meisterwerk gelungen ist. Dramaturgie, Schnitt, Ton bewegen sich auf höchstem deutschen Kino-Niveau. Gerade die Liste der prominenten Darsteller lassen weder in ihrer Massen noch qualitativ Wünsche offen. Die packende Regie lässt den Zuschauer nicht mehr aus seinem Bann und die 150 Minuten äusserst kurzweilig erscheinen.



Trotzdem macht der Film zwei entscheidene Fehler. Erst einmal verkündet er schon im Titel, er arbeite den gesamten "Komplex" der RAF Bewegung auf, beginnt dabei mit den Studentenunruhen und der Polizeigewalt der End-60er und endet im sogenannten "Deutschen Herbst" 1977. Den Zeitraum von 10 Jahren kann auch ein Film mit Überlängeaufschlag keinesfalls abdecken, ohne dass wichtige Ereignisse auf wenige Minuten zusammengeschnitten oder ganz ausgespart werden zugunsten eines dramaturgischen Aufbaus. Allein die Szenen um die Unruhen durch die Studentenbewegungen, die erwiesenen Gewalttaten der Polizei und die Erschiessung des Studenten Benno Ohnesorg durch einen Polizisten mit der anschließenden Farce um eine Verurteilung wären schon ein eigener Film wert. Die jungen Leute (die der Regisseur als Zielgruppe angibt) bekommen auch mit dem Film nur ansatzweise ein Gefühl für die Stimmung in Deutschland in Zeiten von Vietnam und Polizeistaat, die immerhin jeden vierten Unter-Dreißigjährigen damals mit den Anfängen der RAF sympatisieren liessen. Nimmt sich das Drehbuch anfangs noch ein wenig Zeit, um die Hauptfiguren und ihre Entwicklung zumindest anzudeuten, entwickelt sich das Skript unter dem Druck der Komplexität immer mehr zur Abarbeitung der geschichlichen Ereignisse. Immer mehr Personen greifen ohne Vorankündigung in die Geschehnisse ein, von denen man nicht viel mehr erfährt als ihre Taten (neues Wort für den Filmjargon: "Fetzendramaturgie"). Spätestens mit dem Tod von Ulrike Meinhof verliert der Film seine einzige Identifikationsfigur und verkommt fast zur historischen Nummernrevue.



Daraus erschließt sich auch der zweite, eher subtile Fehler des "Baader Meinhof Komplex". Eichinger und Regisseur Edel erzählen die Geschichte subjektiv aus der Sicht der Widerständler und späteren Verbrecher. Sie versuchen, die Motive der RAF Mitglieder (insbesondere der ehemaligen Chefredakteurin Meinhof) näherzubringen, und ermöglicht damit eine Identifikation mit Terroristen. Sie geben dem Morden nachvollziehbare Motive, rückt die Staatsgewalt in ein deutlich negatives Licht und spart die Opfer und ihre Angehörigen aus. Einzig Bruno Ganz als Horst Herold (zu der Zeit Präsident des Bundeskriminalamts) und Heino Ferch als sein (zwecks Zwiegesprächen erfundener) Assistent spiegeln ansatzweise die Seiten der Behörden wieder. Solch eine subjektive Erzählweise ist durchaus legitim, birgt aber die Gefahr mißverstanden zu werden als Rechtfertigung für Mord und Todschlag. Wobei man eingestehen muss, dass es keine deutlichere Entmythisierung der Terroristen gibt als die letzten Worte des Films, die ihre Wirkung auch beim Publikum nicht verfehlen.

Sollte man sich von dem einseitigen Erzählstil nicht abschrecken lassen und den Film zum Anlass nehmen, sich näher mit der äußerst jungen Vergangenheit zu beschäftigen, dann ist Eichingers spannende Zusammenfassung zumindest eine gute Annäherung. Für junge Leute, die die damalige Zeit nicht miterlebt haben (und zu denen darf ich mich auch noch zählen), werden allerdings auch mit dem Film trotz aller abgearbeiteten Fakten nur eine leichte Ahnung von der politisch aufgeladenen Atmosphäre der 70er bekommen.
Bewertung: 7/10

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Trailer 'Der Bader Meinhof Komplex'

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