Donnerstag, 7. August 2008
Edgar Wallace auf Kassette
Wer kannte sie nicht, die kultigen Hörspiele unserer Jugend. Von den "3 Fragezeichen" über "TKKG" und "Hui Buh" bis zur Grusel Serie von H.G.Francis. Und dann gab es noch zwei konkurrierende Hörspiel Reihen nach Büchern von Edgar Wallace. Zum einen die Europa-Reihe "nur für Erwachsene", zum anderen die eher an Jugendliche gerichtete Serie von Maritim. Die 80er-Jahre Hörspiele von Maritim gibt es hier einmal unter die Lupe genommen ...



Im Gegensatz zu der parallel erschienenen Reihe von Europa versuchte man bei Maritim ein jüngeres Publikum anzusprechen durch Auflockerung und auch Vereinfachung der Story, die sich dementsprechend auch nur grob am Original hielt und manchmal sogar Motive aus der Filmserie zitierte. Allerdings kann man den Sprechern und auch den Machern (Musik - Sounds) eine sehr gute Leichtung attestieren, die zur packenden Atmosphäre beitragen. Und gerade die ersten Folgen haben unter der Nostalgiebrille eindeutig den Charme der (eigenen) Jugend. Und die einzelnen Cover (s.o.) sind Klasse! ...

PHASE I

01. Der Zinker
Der Clou der ersten vier Folgen ist Manfred Krug als Chefinspektor Jenkins. Als nervender Sidekick variiert Günther Lüdke seine Rolle des Schulzes aus "Tim & Struppi". Allerdings wurde die Geschichte ziemlich vereinfacht und zu sehr auf Reporter Harris und die beiden Kids Nick und Nicky abgestimmt.
02. Der Frosch mit der Maske
Dieses ist der beste Teil der "Jenkins"-Phase. Viel Action treibt die Story um die Frösche voran, die teils sogar an die Verfilmung erinnert. Die Geschichte des Henkers und seines Sohnes hat man den Kids aber ausgespart.
03. Der Hexer
Der schwächste Teil der Reihe, weil er nicht nur die Story arg vereinfacht und die Auflösung von Anfang an zu simpel aufzeigt, sondern auch weil er Motive plump aus den Vorgängern abkopiert (ohnmächtiger Fotograf - kaputte Schreibmaschine - "verzinken").
04. Die toten Augen von London
Eigentlich charmant gemacht, auch wenn der Gruselschocker von Wallace wieder ziemlich vereinfacht wurde. Und die blinden Teens "verjugendlichen" den Anspruch des Hörspiels noch mehr als die Vorgänger. Trotzdem mit dem Nostalgie-Bonus irgendwie kultig.

PHASE II

05. Die Bande des Schreckens
In Phase 2 tauschte man das Ermittlungsteam aus und strich die Nickys, um sich etwas vom Kinder-Hörspiel wegzubewegen. Heraus kam allerdings ein etwas träger Krimi, der trotz spannender Vorlage ziemlich unspektakulär bleibt. Vor allem die gemütliche Musik nimmt dem Spiel jede Spannung.
06. Neues vom Hexer
Auch bei dieser "Hexer"-Fortsetzung nahm man einige Motive aus der Kurzgeschichten-Sammlung und schrieb um sie eine eigene Story. Allerdings ist die Identität durch den Sprecher viel zu durchsichtig. Ausserdem versucht man zuviele Kleingeschichten zu einem zu verbinden. Die Polizei trägt auch gar nichts zur Aufklärung bei, sondern kommentiert nur alles.
07. Das Gasthaus an der Themse
Hier versucht man an den Erfolg vom "Frosch" anzuknüpfen und die Handlung durch viel Action voranzubringen. Durch die Vereinfachung der Story verliert sie aber an Glaubhaftigkeit und an Spannung. Sehr schön aber - wie zumeist in dieser Serie - die Sprecher (Lila: "Warum will mich denn ständig jemand heiraten?")
08. Der unheimliche Mönch / Club der Vier
Die achte Kassette ist insofern ein seltsames Produkt, da man die Kurzgeschichte vom "Mönch" auf eine Seite nacherzählt - was atmosphärisch sehr gelungen ist - und dafür auf der B-Seite ziemlich spannungsarm und im Schnelldurchlauf vier Verbrecher verhaften lässt.

PHASE III

09. Das Geheimnis der gelben Narzissen
Endgültig erwachsen wirken die letzten vier Hörspiele der Reihe. Die Geschichte um den Narzissen-Mörder ist allerdings auch schwere Kost mit all seinen Intrigen und Anschlägen. Den Machern ist allerdings die Gradwanderung einigermassen gelungen, die Machenschaften der einzelnen Personen aufzuzeigen, ohne sich in dem Gewirr an Handlungen zu sehr zu verstricken.
10. Die Tür mit den sieben Schlössern
Die Geschichte um die geheimen Schlüssel erinnert unweigerlich an die beliebte Wallace Verfilmung mit Drache, Kinski, Peters und Braun, die man fast vor Augen hat, wenn man den Sprechern zuhört. Insgesamt ist "Die Tür ..." eines der gelungensten Hörspiele der Reihe, zumal es die Atmosphäre des Buches auch perfekt wiederspiegelt.
11. Der grüne Bogenschütze
Auch die Story vom Bogenschütze bietet die perfekte Vorlage für einen Grusel-Wallace, was die Produzenten zu nutzen wussten, um nach der "Tür" die Leistung noch zu verbessern. Im Gegensatz zur Verfilmung ist das Ergebnis keine Bellamy Solo-Show, sondern ein Ensemblestück, in dem jede Figur ihren Teil dazu beiträgt, um die Handlung voranzutreiben.
12. Das indische Tuch
Im letzten Hörspiel gelingt es noch einmal, eine komplexe Story themengerecht zu kürzen und doch spannend zu gestalten. Die Lösung ist dabei offensichtlicher als in den letzten Folgen, trotzdem lässt man sich als Zuhörer gern blenden. Insgesamt hält die Folge das Niveau der letzten Phase und übertrifft dabei auch einige der "Erwachsenen"-Reihe von Europa noch deutlich. Leider ist es aber auch die letzte Folge der Maritim-Serie gewesen - zumindest für 20 Jahre.


PHASE IV (Relaunch)

2004 versuchte Maritim die Serie mit frischen Geschichten neu aufleben zu lassen. Der Erfolg ist allerdings bisher bescheiden:
13. Bei den drei Eichen
14. Das Gesicht im Dunkeln
15. Der Unheimliche
16. Der Banknotenfälscher

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Edgar Wallace - Die Originalhörspiele

2007 kam man bei Maritim auf die glorreiche Idee, aus den Rialto Filmen Originalton Hörspiele zu schustern. Das Vorhaben scheitert jedoch desaströs an verschiedenen Problemen. Erst einmal klingt der Original Filmsound, als hätte ein Fan ihn mit dem Kassettenrecorder am Fernseher mitgeschnitten. Darüber liegt die Studio Spur des Sprechers, der qualitativ überhaupt nicht zum Film Ton passt.
Andererseits verbindet der Sprecher die einzelnen Szenen auch nur mit nichtssagenden Zweizeilern. Die alles entscheidenen Aktionen, die man nicht sehen kann, bleiben aber unkommentiert. Der Zuschauer kann nur ahnen, was da gerade passiert. Und das nicht nur bei den Actionszenen (wie im "Frosch mit der Maske" die Ermordung des Polizeispitzels Genters oder dem Ausbruch von Richard Gordon), sondern auch bei Dialogszenen (in der Lolita-Bar oder Rays Auftritt bei Maitland), in denen sekundenlange Pausen entstehen, weil die Schauspieler ohne Worte agieren.
Letztendlich merkt man ganz entscheidend, dass die einzelnen Dialoge für einen Film geschrieben waren und von der Kombination Wort und Gestik leben, was sich nur schwer in ein Hörspiel übertragen lässt (Hörspiel Bücher werden vom Konzept her ganz anders verfasst).
Wenn es den Machern nicht gelingt, diesen Mangel z.B. durch einen Erzähler zu überbrücken, dann ist die Absicht - egal wie ehrenhaft sie sein mag - zum Scheitern verurteilt. Den einzigen Effekt, den diese Hörspiele dann auslösen, ist das Bedürftnis, die Abenteuer mit Bild sehen zu wollen. Dann kann man aber gleich zur (nicht wesendlich teureren) DVD greifen. Wozu dann aber das "Original Hörspiel"?

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