Sonntag, 9. November 2008
Matthew Shepard - vor 10 Jahre ermordet
Vergangen aber nicht vergessen!
Vor fast exakt 10 Jahren erschütterte die Ermordung des 22-jährigen Studenten Matthew Shepard in Laramie die Welt. In der Nacht zum 7.Oktober 1998 begleitete er zwei Gleichaltrigen, in der Hoffnung auf Sex oder auch nur Zuneigung. Die beiden fuhren mit ihm aus der Stadt, überwältigten ihn und fesselten ihn an einen Zaun, um wieder und wieder auf ihn einzuschlagen. Schließlich ließen sie den leblosen Körper zurück, der erst am folgenden Abend von Radfahrern gefunden wurde, die ihn anfangs für eine Vogelscheuche ("Scarecrow") hielten.

Der Fall sorgte für großes Aufsehen, weil er innerhalb kürzester Zeit als schwulenfeindlich motiviertes Verbrechen durch die internationalen Medien ging und eine Welle von Protesten gegen Diskriminierung Homosexueller auslöste (sowie Gegen-Protesten von fanatischen Christen und rechten Extremisten). Und das zu einem Zeitpunkt als der junge Mann noch lebte. Erst nach fünf Tagen im Koma erlag Shepard am 12.Oktober seinen schweren Verletzungen, was zu einer weiteren Welle weltweiter Anteilnahme führte und ihn weit über den Menschen mit Fehlern und Unzulänglichkeiten hinaus zu einem fast heiligen Symbol für homophobes Hassverbrechen machte.

Dabei ist es bis heute umstritten, inwieweit Homophobie wirklich das Motiv der beiden Täter war. Sie selbst stritten das im Nachhinein ab, konnten sich aber gegen den imensen Mythos des Falles nicht mehr erwehren. Auch Bekannte der beiden betonen bis heute immer wieder, dass die Tat unter Drogeneinfluß stattfand, und Geld zur weiteren Beschaffung das eigentliche Motiv gewesen sein soll. Fest steht aber, dass sie sich für ihre Tat eben nicht einen großgewachsenen heterosexuellen Sportler ausgesucht hatten, sondern bewusst die kleine schmächtige Tunte, mit der man das eben machen kann. Allein damit wäre der Vorwurf der Diskriminierung schon berechtigt.



Der Fall des Matthew Shepard und die weltweite Anteilnahme rückte schwulenfeindlich motivierte Gewaltverbrechen in den Vordergrund öffentlicher Debatten. Die Eltern von Matthew gründeten im Dezember 1998 die Matthew Shepard Foundation, welche zum Ziel hat, "Hass durch Verständnis, Mitgefühl und Akzeptanz zu ersetzen". Zahlreiche Künstler drückten ihre Anteilnahme durch Songs aus, die sie dem Jungen widmeten (u.a. Melissa Etheridge "Scarecrow" - Elton John "American Triangle"). Außerdem entstanden zwei Filme, die sich mit dem Fall Laramie und der Person Matthew Shepard beschäftigten.

The Matthew Shepard Story
Der kanadische TV-Film von 2002 entstand unter der Regie von Roger Spottiswoode ("James Bond -Tomorrow never dies", "Air America"). Er verfolgt das Leiden der Eltern vom Mord bis zur emotionalen Gerichtsverhandlung, zeigt aber gleichzeitig in Rückblenden Ausschnitte aus dem Leben des Menschen Matthew Shepard (Shane Meier), der eben kein Heiliger war, sondern ein ganz normaler - homosexueller - Student, der seinen Platz in der Welt suchte.
Bewertung: 8,5/10


The Laramie Project
"The Laramie Project" ist ein vom US-amerikanischen Pay-TV Sender HBO im Jahr 2002 produzierter Fernsehfilm. Er beschreibt die Geschichte der Theatergruppe um Moisés Kaufman, die nach dem Tod des schwulen Studenten Matthew Shepard viele Interviews in der Heimatstadt des Ermordeten führen. Sie befragen Familienangehörige, Freunde, Nachbarn und Bewohner der Stadt Laramie in Wyoming. Mit der Zeit bekommen die Mitglieder der Theatergruppe einen Einblick in das Leben der Kleinstadt mit all seinen Schattenseiten wie beispielsweise Intoleranz oder gar Homophobie.
Der Film wirkt wie ein Dokumentarfilm, stellt aber die tatsächlichen Geschehnisse mit professionellen Schauspielern nach. Er endet mit der Gerichtsverhandlung gegen die beiden Mörder und der Uraufführung des Theaterstücks in Laramie. Bewertung: 10/10




Nachtrag: Wie das amerikanischen Nachrichtenmagazin "Newsweek" berichtete, sind die Macher des Laramie Projekts zum 10-jährigen Todestag erneut nach Wyoming zurückgekehrt, um zu hinterfragen, was sich dort nach Jahren geändert hat.
http://www.newsweek.com/id/163027/page/1

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Der Fall Matthew Shepard
Die Hölle von Wyoming
Warum der Mord an dem schwulen Studenten Matthew Shepard vor genau zehn Jahren die USA bis heute beschäftigt.
Von Frank Stern

Laramie ist kein Ort für einen Schwulen. Laramie - das klingt eher nach Cowboys, die durch Saloon-Türen poltern, sich eine Flasche Whiskey greifen und ein, zwei Mädchen mit aufs Zimmer nehmen. Es klingt nach Sternenbanner statt nach Regenbogenfahne. Wenn Amerika schwul ist, dann an den Rändern, in New York oder San Francisco. Nicht im Herzen. Nicht in Laramie/Wyoming.

Matthew Shepard hätte auch anderswo studieren können. Er war in der Schweiz zur Schule gegangen, sprach Deutsch und Italienisch. Doch er entschied sich für die amerikanische Provinz und schrieb sich im Herbst 1998 an der Uni von Laramie ein, an der schon sein Vater studiert hatte. Ein paar Wochen später war er tot - für die einen eine Art Märtyrer, für die anderen ein Schwuler, der sich in Gefahr begeben hatte und darin umgekommen war.

Es gibt Morde, die ähnlich grausam sind. Oder schlimmer. 1998 wurden in den USA 26 Homosexuelle aus Schwulenhass umgebracht, aber keiner dieser Fälle schlug so hohe Wellen wie der von Matthew Shepard. Selbst ausländische Medien griffen die Story vom Tod des 21-Jährigen auf, den zwei Gleichaltrige aus Laramie, die sich als Schwule ausgaben, in ihren Wagen lockten, mit ihm an einen einsamen Ort fuhren und ihm mit einem Revolver den Schädel einschlugen. Mit ausgestreckten Armen an einen Koppelzaun gebunden, wurde er 18 Stunden später gefunden. Da lebte er noch. Oder besser, er atmete. Fünf Tage lang hing er an Schläuchen und Maschinen. Am 12. Oktober 1998 starb er, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Keine Tränen für Schwule

Vielleicht brauchte Amerika diesen schmächtigen Jungen mit der Zahnspange, um sich einzugestehen, dass es sich trotz aller Political Correctness und aller öffentlichen Toleranzappelle im Grunde einen Dreck um die Situation von Schwulen scherte. Vielleicht brauchte es die Bilder der fassungslosen Eltern und jener christlichen Fanatiker, die ihnen beim Begräbnis ihres Sohnes Schilder mit der Aufschrift "No Tears for Queers" (Keine Tränen für Schwule) und "Matt in Hell" (Matthew in der Hölle) entgegenreckten.

Jedenfalls kam danach die Diskussion um den Hate Crimes Prevention Act wieder in Gang, ein Gesetz zum Schutz vor Verbrechen aus Hass, die als Bundesangelegenheiten vom FBI verfolgt werden können und die harte Strafen nach sich ziehen. Angriffe auf Schwule zählten bis dahin nicht dazu. Und sie tun es bis heute nicht: Nachdem der US-Senat den Matthew Shepard Act nach jahrelangem Hin und Her 2007 befürwortet hatte, kündigte Präsident Bush sein Veto an. Seither liegt das Gesetz auf Eis. "Wir waren so nah dran", sagte Matthews Mutter Judy enttäuscht.

Vor jeder Wahl nimmt die Gewalt zu

2007 war überhaupt ein schlechtes Jahr für Amerikas Homosexuelle. 21 von ihnen fielen nach Angaben des New Yorker Anti-Gewalt-Projekts (AVP) Hassverbrechen zum Opfer. Die verbalen und physischen Attacken auf Schwule, Lesben und Transsexuelle stiegen gegenüber dem Vorjahr landesweit um 24 Prozent auf mehr als 2400.

Dabei reicht die Phalanx derer, die gegen Schwule Stimmung machen, von Rap-Musikern über Politiker bis hin zu bibelfesten Kirchenmännern, die von Bühne, Pult und Kanzel aus zum großen Halali blasen. "Immer wenn ein Wahljahr ansteht, beobachten wir eine Zunahme der Gewalt", sagt AVP-Sprecherin Kim Fountain. Im Frühjahr warnte die Republikanerin Sally Kern aus Oklahoma wieder vor Homosexuellen als Gefahr für die nationale Sicherheit.

Ihr Parteifreund John McCain hält sich alle Türen offen. Mal spricht sich der Präsidentschaftsbewerber dagegen aus, dass schwule Paare Kinder adoptieren dürfen, mal will er die Entscheidung darüber den Bundesstaaten überlassen. Mal stimmt er gegen eine Änderung der US-Verfassung, mit der die Ehe als Bund von Mann und Frau festgeschrieben werden soll, mal attackiert er die Obersten Richter von Kalifornien, weil sie die Homo-Ehe in ihrem Bundesstaat legalisiert haben. "Die Bewegung für Akzeptanz und Gleichheit von Schwulen steckt in einer Sackgasse", sagt Judy Shepard, "trotz einiger Lichtblicke." McCain zählt sie nicht dazu.

"Gott hasst Schwule"

Matthew sei nicht allein gewesen, als er da draußen am Zaun hing, hat Dennis Shepard in der Verhandlung gegen die Mörder seines Sohnes gesagt. Die Sterne hätten in jener Nacht über ihn gewacht. Und am nächsten Morgen die Sonne. "Und er hatte einen Freund bei sich. Er hatte Gott." Die pure Verzweiflung. Vor dem Gerichtsgebäude machten Amerikas Inquisitoren deutlich, was ihr Gott von seinem Jungen hält: "God Hates Fags!" - Gott hasst Schwule. Die Fronten im Land, so scheint es, haben sich seither kaum verschoben. "Zehn Jahre Veränderung und kein Fortschritt", lautet Judy Shepards Fazit.

Sie kann das recht gut beurteilen, denn sie selbst hat in dieser Zeit einen radikalen Wandel vollzogen - von der Hausfrau zur landesweit bekannten Aktivistin. Anfangs hatte sie noch ungläubig verfolgt, wie ihr Sohn nach seinem Tod zu einer Ikone der Schwulenbewegung aufstieg und gleichzeitig zur Zielscheibe homophober Hassprediger wurde. Im Dezember 1998 dann rief sie zusammen mit ihrem Mann die Matthew Shepard-Stiftung ins Leben. Seither reist sie kreuz und quer durchs Land, tritt auf Kongressen auf, hält Vorträge an Schulen, wirbt für Akzeptanz.

Audio-Botschaft aus der Hölle

Doch die Quelle, aus der sich Amerikas Vorurteile speisen, ist tief. Der Westboro Baptist Church etwa, angeführt von einem 78-jährigen Pfarrer mit besonderem Draht zum Herrn, gelten Schwule als gottlose Wertezerstörer, denen ewige Verdammnis droht. Auf ihrer Webseite gibt es bis heute einen Bereich zur Mahnung an Matthew Shepards Schicksal - mit seinem von Flammen umzüngelten Bild und einer Audio-Botschaft aus der Hölle.

Judy Shepard lässt sich davon nicht entmutigen. "Sicher bin ich enttäuscht, dass es so schleppend vorangeht, vor allem in der Politik", sagt sie. "Andererseits können wir heute schon viel offener über Fragen der sexuellen Identität sprechen als noch vor zehn Jahren." Sie hofft, dass sich mit einem demokratischen Präsidenten im Weißen Haus noch mehr bewegt und das Gesetz, das den Namen ihres Sohnes trägt, endlich im Kongress verabschiedet wird. "Es wäre eine wichtige Botschaft", sagt die 56-Jährige. "Man kann damit nicht das Denken der Menschen ändern, aber es wäre ein Signal, dass Gewalt nicht hingenommen wird."

Respekt, keine Almosen

In Barack Obama dürfte sie einen Unterstützer finden. Der Senator aus Illinois hat sich gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und für eingetragene Lebenspartnerschaften ausgesprochen. Er war auch der erste Präsidentschaftskandidat, der vor farbigen Zuhörern die grassierende Homophobie in der Schwarzengemeinde thematisierte. Die Ehe aber - von vielen Schwulen-Aktivisten als ultimativer Toleranztest apostrophiert - will auch er als heterosexuelles Refugium erhalten. "Wir arbeiten dran", sagt Judy Shepard und lacht. "Der Mann ist lernfähig."

AVP-Sprecherin Kim Fountain dagegen hält Toleranz eher für einen zwiespältigen Begriff. "Er suggeriert, dass uns etwas aus Großzügigkeit gewährt wird, auf das wir eigentlich keinen Anspruch haben", findet sie. Amerikas Homosexuelle bräuchten keine Almosen: "Was wir brauchen, ist Respekt." Judy Shepard wäre schon zufrieden, wenn sich Amerika wenigstens zu etwas mehr Großzügigkeit durchringen könnte.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de
Quelle: http://www.spiegelonline.de


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Sonntag, 9. November 2008
1. Mai - Helden bei der Arbeit
Berlin Kreuzberg am 1. Mai: Ein elfjähriger Türke will als Männlichkeitsbeweis einen Bullen platt machen. Zwei schlicht gestrickte Jungs aus Minden machen Touri-Programm, werfen ein paar Pillen ein und geraten in die Krawalle der autonomen Szene. Ein Provinzpolizist leidet unter Liebeskummer, weil seine Frau fremd geht. Die Nacht endet für alle im Kreuzberger Urban-Krankenhaus trotz enttäuschter Erwartungen mit einem winzigen Hoffnungsschimmer.

"Helden bei der Arbeit" ist ein Episoden- und Konzeptfilm. Mehrere Regisseure haben parallel drei Kurzfilme unter denselben Vorraussetzungen produziert, so dass man die einzelnen Stories miteinander montieren konnte. Als Hintergrund hat man die 1.Mai-Krawalle in Berlin ausgewählt und direkt vor Ort gedreht. In seiner Gesamtheit funktioniert das Konzept durchaus, auch wenn die einzelnen Episoden, die sich nur am Schluß kreuzen, unterschiedliche Qualität haben. Die Story um den kleinen Türken und den Alt-Protestler hat Witz und Charme, und die beiden Abiturienten, die für Krawalltourismus nach Berlin kommen, sind allein schon durch die charismatischen Jungdarsteller Matschenz und Trepte interessant. Die Polizei-Geschichte bleibt allerdings ziemlich flach und unglaubwürdig - hat die Polizei an solch einem potentiellen Chaos- und Gewalt-Tag nichts besseres zu tun? Überhaupt kommt der politische Hintergrund und die Brisanz des "Tages der Arbeit" in Berlin fast zu kurz. Abgesehen von dem ehemaligen Hausbesetzer, der ein paar philosophische Sprüche von sich geben kann, schwanken alle drei Episoden zwischen unakzeptabler Verherrlichung und stiller Ignoranz. Mit ein paar Kniffen in der Story (des Alt-Hippies) hätten ein Großteil der Geschichte sogar auf dem Oktoberfest stattfinden können. Das ist eigentlich die größte Schwäche des grundsätzlich sympatischen deutschen Films.
Bewertung: 6/10


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Falco - Verdammt wir leben noch
Vaterlos und mit einer dominanten Mutter wächst Johann Hölzel in Wien auf, wird Mitglied von Wiener Szenebands, unter anderem bei den populären Drahdiwaberl, bis er die Kunstfigur Falco kreiert und mit "Der Kommissar" den Durchbruch als Popstar schafft. Er ist eine schillernde Persönlichkeit, zum einen ein sensibler Mensch, fürsorglicher Vater und zum anderen, ein arrogantes, (selbst-)zerstörerisches Genie. Im Alter von 41 Jahren kommt er 1998 bei einem Autounfall in der Karibik ums Leben.

Falco gehörte in den 80ern mit Hits wie "Rock me Amadeus" und Skandalen wie "Jeanny" zu den ganz großen Nummern der Deutschen Welle. Mit seinem Comeback in den 90ern und dem gleichzeitig frühen Tod wurde er zum musikalischen Mythos. Trotzdem überrascht es, dass er post mortem sowohl ein erfolgreiches Musical als auch eine verfilmte Biografie bekommt.
"Falco - Verdammt wir leben noch" liefert genau das was man von einer Film-Bio erwarten kann. Regisseur Thomas Roth arbeitet dabei Genre-gerecht Anfänge, Erfolge und Niedergänge ab, und mischt dazu geschickt die (nachgestellten) Musikclips des extrovertierten Künstlers und Lebemanns. Der Film erhebt nicht unbedingt den Anspruch auf Vollständigkeit oder Tiefe, setzt aber einige Reizpunkte zum Mythos (z.B. Falcos Reaktion auf seinen Platz 1 in Amerika). Unbedingt hervorheben muss man die schauspielerische Lestung vom Musiker Manuel Rubey ("Mondscheiner"), der der zwiespältigen Ausstrahlung von Falco in seiner großartigen Darstellung ziemlich nahe kommt. Auch die anderen Schauspieler liefern eine mehr als ordentliche Leistung (Christian Tramitz einmal seriös als Manager). Letztenlich reicht das nicht zu mehr als einer sehr soliden und auch unterhaltsamen Wiederspiegelung des Lebens des Hans Hölzel alias Falco. In Österreich ist die Bio-Verfilmung dennoch neben "Die Fälscher" schon jetzt der erfolgreichste Kinofilm 2008.
Bewertung: 6/10 (Moviepilot Prognose 7)


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