Dienstag, 26. August 2008
Mysterious Skin (2004) - Provokation aus Amerika
Der schüchterne Brian wacht eines Tages mit blutender Nase im Keller seines Elternhauses auf und weiß nicht, was in den letzten Stunden vorgefallen ist. Im Laufe der Zeit und der Jahre verstärkt sich seine Vermutung, dass er in dieser Zeit von Außerirdischen entführt wurde. Als er dann auch noch Avalyn kennen lernt, die eine ähnliche Erfahrung gemacht hat, scheint die Sache klar zu sein. Doch wer ist der Junge, der immer in seinem Traum erscheint? Was hat er mit dieser Sache zu tun?
Neil macht eine Erfahrung ganz anderer Sorte. Er verliebt sich in seinen Baseballtrainer. Seine Liebe wird von diesem auch erwidert und es kommt zu sexuellen Handlungen. Seitdem weiß Neil, dass er schwul ist und verdient sich in den nächsten Jahren sein Geld als Stricherjunge, trotz vieler Warnungen seiner Freunde Brian und Wendy. Als er seine beste Freundin in New York besucht, gerät er an einen perversen Typen, der ihn vergewaltigt und schlägt. Er flüchtet daraufhin an Weihnachten zu seiner Mutter nach Kansas und erhält überraschend Besuch...


Es fällt sehr schwer, diesen provokanten Film zu kommentieren, ohne sich selbst die Zunge böse zu verbrennen. Schließlich handelt es sich im Fall Neil keinesfalls um einen sexuellen Mißbrauch, sondern "nur" um die Verführung eines minderjährigen Kindes. Und aus solchen Gründen ist - gegen alle Vorurteile - noch niemand schwul geworden. Der Junge, der sich seiner sexuellen Orientierung früh bewusst ist, hat sich in den Trainer verliebt. Er lässt sich nur zu gern verführen und zieht sogar andere Kinder mit hinein, genauso selbstbewusst wie er später seine Freier abarbeitet. Der Trainer ist dabei nur der erste einer Reihe von Kerlen und funktioniert somit als Bösewicht auch nicht wirklich. Dass Neil trotzdem eine abnormale Entwicklung nimmt und in der Großstadt an seine eigenen Grenzen stösst, erkennt der Junge erst, als er wirklich mißbraucht wird (und der Gefahr der Ansteckung mit HIV ausgesetzt ist).
Die Provokation ist, dass der Regisseur diese Handlungsweise nur darstellt und nicht be- oder besser noch verurteilt. Ob die frühen sexuellen Erfahrungen den Werdegang von Neil beeinflußt haben oder einfach nur konsequent aus seiner eigenen Person resultieren, beantwortet der Film genauso wenig.
Noch schwieriger ist der Fall des verschüchterten Brian, der die Leidensgeschichte von Scully aus "Akte X" zu sehr verinnerlicht zu haben scheint. Auch diese parallele - und erst einmal scheinbar unabhängige - Geschichte wird nur wertungsfrei dargestellt. Ob die Entführung durch Ausserirdische wahr sein kann, verrät die Handlung ebensowenig wie er die Handelnden selbst verurteilt oder gar bloßstellt. Es ist einfach so, weil die Personen es glauben wollen.
Offensichtlich ist es dem Regisseur wichtiger, das Schicksal der Menschen in den Mittelpunkt zu rücken anstatt Stellung zu den einzelnen Grenzerfahrungen zu beziehen und klar schwarz-weisse Linien zu setzen. Das macht jede einzelne Figur im Film sehr real, hinterlässt aber viele Fragezeichen beim Zuschauer und stößt (vor allem in Amerika) die konservativen Kreise böse vor den Kopf, die eine ganz klare Bewertung mit viel moralischem Zeigefinger für ihr Weltbild brauchen (platt gesagt: wenn jemand den Trainer mit einer Pumpgun über den Haufen knallt - und der schwule Neil am besten noch an Aids verreckt, dann wäre die konservative Welt wieder in Ordnung).
Neben den Tabubrüchen in der Geschichte ist es die künstlerische Darbietung selbst, die für Verstörung beim Zuschauer bzw für Begeisterung beim Kritiker sorgt. Dem Regisseur gelingt es mit ästhetischen Bildern, lockere und lebendige Dialoge neben schockierende und provokante Szenen zu setzen, ohne den Thrill des großen Geheimnisses aus den Sinn zu verlieren. Auch deswegen wirken die unterschiedlichen Leben der beiden Jungs sehr menschlich und glaubhaft.
Dazu tragen natürlich die großartigen Schauspieler bei - allen voran Brady Corbet als verstörter Brian und der sensationelle Joseph Gordon-Levitt als Neil. Ihr wertfreies Spiel und die normale Darstellung des Lebens trotz der unnatürlichen Ereignisse machen die Schockwirkung des Films aus. Und es rechtfertigt auch die FSK18 Freigabe, weil Geschehnisse löblicherweise als natürlich gezeigt werden, als wenn es sie genau so geben kann, die aber trotzdem nun einmal nicht natürlich sind - und als solches auch trotz fehlender Wertung im Film nicht mißverstanden werden dürfen.
Bewertung: 8,5/10 (Moviepilot Prognose 6,5)


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Sonntag, 24. August 2008
'21' - Black-Jack-Drama mit Kevin Spacey
Das Bostoner Mathe-Ass Ben staunt nicht schlecht, als sein Professor Mickey ihn in eine Gruppe von insgesamt sechs Schülern aus seinen Kursen aufnimmt, mit denen er Blackjack, bzw. Kartenzählen, trainert, denn er hat eine Formel entwickelt, mit der er jedes Casino knacken kann. Ben hat Erfolg und gewinnt Millionen. Doch er kriegt den Hals nicht voll, legt sich mit den Sicherheitsleuten an und mit ihrem Trainer, Mickey. Der lässt Ben brutal auflaufen, hat jedoch nicht mit dessen Cleverness gerechnet.

Auf dem Tatsachenbestseller "Bringing Down the House" beruhend drehte Regisseur Robert Luketic ("Das Schwiegermonster") ein auf Hochglanz poliertes und zugleich ziemlich oberflächliches Spielerdrama, das im Verlauf kaum Überraschungen vorzuweisen hat. Auch Spannung kommt selten auf, da der Konflikt mit der Casino-Security - und dem charismatischen Laurence Fishburne - wenig überzeugend wirkt (schließlich ist das Zählen letztendlich nicht illegal, allerdings auch nicht so erfolgsversprechend wie die Story uns vormachen will).
Daß der Film trotzdem rundum unterhält, liegt an den überzeugenden Darstellern, allen voran Jim Sturgess ("Across the Universe") als Twen mit mathematischem Talent sowie Kevin Spacey, der seine Rolle gewohnt prägnant herunterspielt. Auch erinnert die Atmosphäre der Bilder in den besten Momenten an Casino-Dramen wie das brilliante "Ocean Eleven". Zwar täuschen die Hochglanzaufnahmen nicht wirklich über die etwas formelhafte Geschichte hinweg, aber die straffe Regie sorgt zumindest für 120 kurzweilige Minuten.
Bewertung: 7/10 (Moviepilot Prognose 6,5)


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