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Donnerstag, 7. Februar 2008
NACHRUF AUF BRITNEY SPEARS
crizcgn, 03:07h
Hier ein sehr interessanter Bericht aus der Süddeutschen Zeitung zum Presseverhalten im Zusammenhang mit dem Tod von Jungstars:
Das Geschäft mit dem Tod: Der Nachruf auf Britney Spears
Die amerikanische Nachrichtenagentur AP hat einen Nachruf auf Britney Spears verfasst
Frank S. Baker ist Redakteur der Nachrichtenagentur Associated Press. Er leitet die Redaktion im südlichen Kalifornien und ist damit auch zuständig für Entertainment und Hollywood.
Am 8. Januar hat Baker ein vierzeiliges Memo an seine Mitarbeiter verschickt und sie darin gemahnt, von sofort an und bis auf weiteres sei "alles, was Britney angeht", eine wichtige Nachricht: "a big deal", wie Baker es formulierte. Mit Britney meinte er die Popsängerin Britney Spears, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Das bedeute nicht, schrieb Baker, dass man jedes Gerücht veröffentlichen sollte. Aber alle Mitarbeiter sollten darauf achten, was die Konkurrenz berichte, und versuchen, diese Geschichten zu bestätigen. Wenn AP dann etwas melde, "dann müssen wir es beschleunigen", schrieb Baker. Als das Memo bekannt wurde, kommentierte ein Journalist auf einem vielbesuchten Medienblog: "Kein guter Tag für das journalistische Handwerk."
Britney Spears war AP immer wieder eine Nachricht wert: Sie hat sich mit den ersten vier von fünf Alben an die Spitze der Charts gesungen. Das ist vor ihr keiner Künstlerin geglückt und ist lange her. In diesen Tagen berichtet AP über ihre missglückten Therapieversuche, ihren Sorgerechtsstreit, ihre erneute Einlieferung ins Krankenhaus, und darüber, dass es ihr nach den Worten ihrer Mutter gesundheitlich angeblich besser gehe.
Wenige Tage nach Bakers Memo kam heraus, dass die Agentur vorsorglich einen Nachruf auf die Popsängerin verfasst hat. Auf eine 26-Jährige. Für alle Fälle. Der Hinweis, Britney sei ab sofort "a big deal" und AP müsse Nachrichten beschleunigen, erhielt nun eine ganz neue Bedeutung. Denn AP ist ja nicht irgendein Boulevarddienst, sondern die weltgrößte Nachrichtenagentur, die mit ihrer Arbeit und Ethik Vorbild ist für viele andere Nachrichtendienste. Das Stylebook von AP ist der Standard, an dem sich Nachrichtenredakteure orientieren. AP ist nicht im Privatbesitz. Die Agentur ist als Genossenschaft organisiert, der Gewinn wird reinvestiert. Mitglieder, damit Eigentümer, sind mehrere Tausend Zeitungen, Radio- und Fernsehsender.
Leitende Manager haben auch heute noch in der Zentrale in New York Bilder hinter ihren Schreibtischen hängen, auf denen Reporter ankommenden Schiffen entgegenrudern. Schiffe hatten Neuigkeiten an Bord, und die Reporter nahmen sie mit Hilfe von Megaphonen auf, ruderten zurück und druckten sie. Irgendwann einigten sich die Verleger, dass ein einziger Reporter alle Zeitungen versorgen könnte. Das war 1848, und damit war die Harbor News Association gegründet, die spätere Associated Press. Vieles hat sich seitdem geändert.
Wenn man die Erklärungen der Redakteure von Associated Press liest, bekommt man den Eindruck, als sei der Nachruf auf Spears dennoch ein ganz gewöhnlicher Vorgang. Oder vielleicht sollte man sagen: Teil einer Strategie. Der zuständige Redakteur für Unterhaltung, Lou Ferrara, betonte, die Kunden forderten mehr Nachrichten, Fotos und Videos von Prominenten, und AP werde deshalb diesen Bereich ausbauen und dafür 22 Mitarbeiter in Los Angeles, New York und London einstellen. AP-Redakteur Jesse Washington, ebenfalls für Unterhaltung zuständig, sagte: Im Falle des Schauspielers Heath Ledger sei man nicht vorbereitet gewesen.
Bei Spears soll das nun anders sein. Ausschlaggebend war, dass sich Spears von ihrer Krise offenbar nicht erholt. Sie sei allerdings nicht die erste Person unter 30 Jahren, für die AP einen Nachruf vorbereitet habe, sagte Washington in einem Radiointerview. Die Sängerin Amy Winehouse sei ebenfalls seit einiger Zeit "auf dem Radar" von AP. Die entsprechende Überlegung sei einfach und orientiere sich an zwei Fragen: Ist es wahrscheinlich, dass sie stirbt? Und wie groß wäre die Nachricht in ihrem Todesfall?
Als das ehemalige Fotomodell Anna Nicole Smith im vergangenen Jahr mit 39 überraschend an einer Überdosis Drogen starb, war AP unvorbereitet. Genauso war es im Falle des 25-jährigen Schauspielers Brad Renfro, der vor wenigen Wochen starb; auch er hatte Drogenprobleme. Vor allem aber Smiths Tod machte große Schlagzeilen und habe der Redaktion klar gemacht, dass man auf alles vorbereitet sein müsse, sagte Lou Ferrara. Er war einer der Redakteure, die nun den Nachruf von Spears in Auftrag gaben.
Dass Stars auch jung sterben, ist Legende. Einer der größten, Schauspieler James Dean, verunglückte 1955 mit 24 Jahren. Jimi Hendrix oder Janis Joplin, die 1970 starben, waren auch noch keine 30 Jahre alt. Für sie - oder für die Komiker John Belushi und Chris Farley und den Musiker Kurt Cobain - lagen keine Nachrufe auf Abruf. Neu ist also die Art, wie Medien mit dem Interesse an jungen Stars umgehen und sich auf ihren Tod vorbereiten.
Ist das ein Zeichen für den Verfall ethischer Standards? Oder ist es, wie die AP-Reporter versichern, Ausdruck der Professionalität? Vorsorgliche Nachrufe zu schreiben, ist für amerikanische Zeitungen nichts Ungewöhnliches, betonte AP-Reporter John Rogers: Die Los Angeles Times habe 400 Nachrufe vorbereitet, die Washington Post verfüge über rund 100 Texte, wobei allerdings keine einzige Person jünger als 30 Jahre sei. AP hat rund 1000 Nachrufe vorbereitet. Die meisten Personen davon seien allerdings 70 Jahre und älter.
Die New York Times hat gar rund 1500 Nachrufe auf Lager und beschäftigt mehrere Reporter, die Persönlichkeiten zu ihren Lebzeiten befragen, um darüber zu schreiben und das Gesagte nach ihrem Ableben zu drucken. Nachrufe sind beliebt bei Lesern und Redakteuren: 2006 wurde ein ungewöhnlicher Nachruf auf einen Soldaten als Feature mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. Autor Jim Sheeler von den Rocky Mountain News recherchierte dazu neun Monate über Soldaten, die tote Kameraden aus dem Irakkrieg für ein Begräbnis zu ihrer Familie überführen.
Die Journalistin Carolyn Gilbert hat sogar einen Internationalen Verband der Nachrufschreiber gegründet und lädt ihre Mitglieder regelmäßig zum Austausch ein. Für die diesjährige Konferenz in Las Vegas hat sie bereits AP-Reporter Rogers gewonnen, um zu diskutieren, ob die Nachrufschreiber sich mehr auf junge Stars konzentrieren sollten. Gute Vorbereitung sei nun mal Teil des Geschäfts, findet Carolyn Gilbert.
Von THOMAS SCHULER
("Süddeutsche Zeitung 04.02.08")
Das Geschäft mit dem Tod: Der Nachruf auf Britney Spears
Die amerikanische Nachrichtenagentur AP hat einen Nachruf auf Britney Spears verfasst
Frank S. Baker ist Redakteur der Nachrichtenagentur Associated Press. Er leitet die Redaktion im südlichen Kalifornien und ist damit auch zuständig für Entertainment und Hollywood.
Am 8. Januar hat Baker ein vierzeiliges Memo an seine Mitarbeiter verschickt und sie darin gemahnt, von sofort an und bis auf weiteres sei "alles, was Britney angeht", eine wichtige Nachricht: "a big deal", wie Baker es formulierte. Mit Britney meinte er die Popsängerin Britney Spears, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Das bedeute nicht, schrieb Baker, dass man jedes Gerücht veröffentlichen sollte. Aber alle Mitarbeiter sollten darauf achten, was die Konkurrenz berichte, und versuchen, diese Geschichten zu bestätigen. Wenn AP dann etwas melde, "dann müssen wir es beschleunigen", schrieb Baker. Als das Memo bekannt wurde, kommentierte ein Journalist auf einem vielbesuchten Medienblog: "Kein guter Tag für das journalistische Handwerk."
Britney Spears war AP immer wieder eine Nachricht wert: Sie hat sich mit den ersten vier von fünf Alben an die Spitze der Charts gesungen. Das ist vor ihr keiner Künstlerin geglückt und ist lange her. In diesen Tagen berichtet AP über ihre missglückten Therapieversuche, ihren Sorgerechtsstreit, ihre erneute Einlieferung ins Krankenhaus, und darüber, dass es ihr nach den Worten ihrer Mutter gesundheitlich angeblich besser gehe.
Wenige Tage nach Bakers Memo kam heraus, dass die Agentur vorsorglich einen Nachruf auf die Popsängerin verfasst hat. Auf eine 26-Jährige. Für alle Fälle. Der Hinweis, Britney sei ab sofort "a big deal" und AP müsse Nachrichten beschleunigen, erhielt nun eine ganz neue Bedeutung. Denn AP ist ja nicht irgendein Boulevarddienst, sondern die weltgrößte Nachrichtenagentur, die mit ihrer Arbeit und Ethik Vorbild ist für viele andere Nachrichtendienste. Das Stylebook von AP ist der Standard, an dem sich Nachrichtenredakteure orientieren. AP ist nicht im Privatbesitz. Die Agentur ist als Genossenschaft organisiert, der Gewinn wird reinvestiert. Mitglieder, damit Eigentümer, sind mehrere Tausend Zeitungen, Radio- und Fernsehsender.
Leitende Manager haben auch heute noch in der Zentrale in New York Bilder hinter ihren Schreibtischen hängen, auf denen Reporter ankommenden Schiffen entgegenrudern. Schiffe hatten Neuigkeiten an Bord, und die Reporter nahmen sie mit Hilfe von Megaphonen auf, ruderten zurück und druckten sie. Irgendwann einigten sich die Verleger, dass ein einziger Reporter alle Zeitungen versorgen könnte. Das war 1848, und damit war die Harbor News Association gegründet, die spätere Associated Press. Vieles hat sich seitdem geändert.
Wenn man die Erklärungen der Redakteure von Associated Press liest, bekommt man den Eindruck, als sei der Nachruf auf Spears dennoch ein ganz gewöhnlicher Vorgang. Oder vielleicht sollte man sagen: Teil einer Strategie. Der zuständige Redakteur für Unterhaltung, Lou Ferrara, betonte, die Kunden forderten mehr Nachrichten, Fotos und Videos von Prominenten, und AP werde deshalb diesen Bereich ausbauen und dafür 22 Mitarbeiter in Los Angeles, New York und London einstellen. AP-Redakteur Jesse Washington, ebenfalls für Unterhaltung zuständig, sagte: Im Falle des Schauspielers Heath Ledger sei man nicht vorbereitet gewesen.
Bei Spears soll das nun anders sein. Ausschlaggebend war, dass sich Spears von ihrer Krise offenbar nicht erholt. Sie sei allerdings nicht die erste Person unter 30 Jahren, für die AP einen Nachruf vorbereitet habe, sagte Washington in einem Radiointerview. Die Sängerin Amy Winehouse sei ebenfalls seit einiger Zeit "auf dem Radar" von AP. Die entsprechende Überlegung sei einfach und orientiere sich an zwei Fragen: Ist es wahrscheinlich, dass sie stirbt? Und wie groß wäre die Nachricht in ihrem Todesfall?
Als das ehemalige Fotomodell Anna Nicole Smith im vergangenen Jahr mit 39 überraschend an einer Überdosis Drogen starb, war AP unvorbereitet. Genauso war es im Falle des 25-jährigen Schauspielers Brad Renfro, der vor wenigen Wochen starb; auch er hatte Drogenprobleme. Vor allem aber Smiths Tod machte große Schlagzeilen und habe der Redaktion klar gemacht, dass man auf alles vorbereitet sein müsse, sagte Lou Ferrara. Er war einer der Redakteure, die nun den Nachruf von Spears in Auftrag gaben.
Dass Stars auch jung sterben, ist Legende. Einer der größten, Schauspieler James Dean, verunglückte 1955 mit 24 Jahren. Jimi Hendrix oder Janis Joplin, die 1970 starben, waren auch noch keine 30 Jahre alt. Für sie - oder für die Komiker John Belushi und Chris Farley und den Musiker Kurt Cobain - lagen keine Nachrufe auf Abruf. Neu ist also die Art, wie Medien mit dem Interesse an jungen Stars umgehen und sich auf ihren Tod vorbereiten.
Ist das ein Zeichen für den Verfall ethischer Standards? Oder ist es, wie die AP-Reporter versichern, Ausdruck der Professionalität? Vorsorgliche Nachrufe zu schreiben, ist für amerikanische Zeitungen nichts Ungewöhnliches, betonte AP-Reporter John Rogers: Die Los Angeles Times habe 400 Nachrufe vorbereitet, die Washington Post verfüge über rund 100 Texte, wobei allerdings keine einzige Person jünger als 30 Jahre sei. AP hat rund 1000 Nachrufe vorbereitet. Die meisten Personen davon seien allerdings 70 Jahre und älter.
Die New York Times hat gar rund 1500 Nachrufe auf Lager und beschäftigt mehrere Reporter, die Persönlichkeiten zu ihren Lebzeiten befragen, um darüber zu schreiben und das Gesagte nach ihrem Ableben zu drucken. Nachrufe sind beliebt bei Lesern und Redakteuren: 2006 wurde ein ungewöhnlicher Nachruf auf einen Soldaten als Feature mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. Autor Jim Sheeler von den Rocky Mountain News recherchierte dazu neun Monate über Soldaten, die tote Kameraden aus dem Irakkrieg für ein Begräbnis zu ihrer Familie überführen.
Die Journalistin Carolyn Gilbert hat sogar einen Internationalen Verband der Nachrufschreiber gegründet und lädt ihre Mitglieder regelmäßig zum Austausch ein. Für die diesjährige Konferenz in Las Vegas hat sie bereits AP-Reporter Rogers gewonnen, um zu diskutieren, ob die Nachrufschreiber sich mehr auf junge Stars konzentrieren sollten. Gute Vorbereitung sei nun mal Teil des Geschäfts, findet Carolyn Gilbert.
Von THOMAS SCHULER
("Süddeutsche Zeitung 04.02.08")
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Samstag, 2. Februar 2008
TRANSFORMIERTER BLOEDSINN
crizcgn, 15:37h
Seit Jahrhunderten kämpfen zwei außerirdische Roboterrassen - die Autobots und die Decepticons - um die Vorherrschaft im Universum. Beide Seiten suchen nach der ultimativen Machtquelle - dem "Allspark" - und tragen ihren Krieg nun auf die Erde. Den Schlüssel zu dem auf der Erde versteckten Energiewürfel "Allspark" trägt nichtsahnend der junge Sam Witwicky (Shia LaBeouf), der sich bislang höchstens über die langweilige Schule, seinen neuen störrischen Chevrolet Camaro und die hübsche Mikaela (Megan Fox) Gedanken gemacht hat - und nicht über gigantische Roboter, die sich in Autos, Trucks oder Kampfjets und Hubschrauber verwandeln -, und erst recht nicht über die endgültige Vernichtung der Menschheit. Gemeinsam mit Mikaela steht er aber nun genau zwischen den Fronten der Autobots-Friedenskämpfer und den machtgierigen Decepticons - und mitten auf dem Schlachtfeld der Robotergiganten.
Nicht jeder der als Kind mit Militärflugzeugen und Miniatursoldaten grosse Schlachten kämpft, geht später an die Front, um wie ein Berserker die "bösen Jungs" abzuknallen. Und wenn ein Michael Bay (und nicht zu vergessen: unter dem imensen Einfluss von Steven Spielberg, den wir ja seit "Schindlers Liste" alle lieb haben) im Popcorn Kino Megaevent "TRANSFORMERS" (den es inzwischen auf DVD gibt) die üblichen Prolleten Fantasien mit Kinderkrams und viel Actionkitsch zum grossen Event aufbläst, muss das noch lange nicht heissen, dass er faschistischen Militarismus predigt.
Schon "Top Gun" war in jeder Hinsicht ein (patriotisch triefender) feuchter Männertraum, aber er spiegelte nur die Kindheitsfantasien vom erwachsenen (männlichen) Proletariat wieder - und hat einfach Spaß gemacht. Das mag man nun unterhaltend finden oder auch künstlerisch zum Kotzen, aber solche Filme als gehirnwaschende Propaganda zu politisieren wertet sie ganz unberechtigt auf!
Bewertung: 7/10
Nicht jeder der als Kind mit Militärflugzeugen und Miniatursoldaten grosse Schlachten kämpft, geht später an die Front, um wie ein Berserker die "bösen Jungs" abzuknallen. Und wenn ein Michael Bay (und nicht zu vergessen: unter dem imensen Einfluss von Steven Spielberg, den wir ja seit "Schindlers Liste" alle lieb haben) im Popcorn Kino Megaevent "TRANSFORMERS" (den es inzwischen auf DVD gibt) die üblichen Prolleten Fantasien mit Kinderkrams und viel Actionkitsch zum grossen Event aufbläst, muss das noch lange nicht heissen, dass er faschistischen Militarismus predigt.
Schon "Top Gun" war in jeder Hinsicht ein (patriotisch triefender) feuchter Männertraum, aber er spiegelte nur die Kindheitsfantasien vom erwachsenen (männlichen) Proletariat wieder - und hat einfach Spaß gemacht. Das mag man nun unterhaltend finden oder auch künstlerisch zum Kotzen, aber solche Filme als gehirnwaschende Propaganda zu politisieren wertet sie ganz unberechtigt auf!
Bewertung: 7/10
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